Aquarellzyklus  "Die sieben letzten Worte Jesu am Kreuz"

 

 

 Die sieben Worte Jesu am Kreuz

Sieben Bilder von Bernhard Guski

 

von Gisela Schmoeckel

 

Vor einigen Tagen habe ich die Bilder von Bernhard Guski zu den „Sieben Worten Jesu am Kreuz“ hier in der Kirche zum ersten Mal gesehen. Mir fiel spontan der helle, durchsichtige Farbklang von Gelb und Blau auf, der sich in die Farben des Kirchenraums einpasst als sei es von dem Künstler so geplant. Bernhard Guski verneinte jedoch, seine Bilder sind unabhängig von der heutigen Ausstellung entstanden. Aber trotzdem, der leuchtende Klang seiner Bilder harmoniert außerordentlich mit dem hellen, fast porzellan-farbenen Weiß dieses Kirchenraums, mit den zurückhaltenden Farbakzenten in den transparenten Bild-Bändern der hohen Fenstern von Gerlach Bente, dazu das Gold und Grün-Blau der barocken Zieratformen an Kanzel und Prinzipalaufbau.

 

Auf der Homepage des Malers ist ein Aquarell zu sehen, das genau in diesem hellen, klaren Klang gehalten ist. Ein weiter Gelbraum breitet sich unter heller Blau- und über dunklerer Grünfläche aus. Das Bild heißt: „Lichtdurchflutet“. Genauso, empfinde ich, wirken die Bilder hier zur Passionszeit, eigentlich doch dem dunkelsten, verzweifeltesten Abschnitt im Leben Christi gewidmet: Die Bilder sind lichtdurchflutet. Bernhard Guski sagte mir, dass das Gelb, das die Darstellung des Gekreuzigten wie ein schwereloses, schwebendes Lichtfeld hinterfängt, genau dem entspricht, was das Kreuzigungsgeschehens meint. Denn mit dem tiefen Leiden und dem Kreuzzigungstod eröffnet sich im christlichen Glauben die Hoffnung auf das Licht der Erlösung.

 

Im Mittelalter symbolisierte der Goldgrund diesen spirituellen Lichtraum. Seit der Renaissance wenden Künstler für die Darstellung des Himmels aber diesen Goldgrund nicht mehr an. Sie verlegten damals nach und nach die Darstellungen der biblischen Geschichte, des Neuen Testaments in den Altarbildern zur Geburt und zur Passion Christi in konkrete, auch oft idealisierte Landschaften Europas. Erst im 20. Jahrhundert, nach der Entdeckung der Sprachkraft des abstrakten Expressionismus und der materialen Farbmalerei wurde Farbe an sich zum Bildraum. Die Malerei zeigte, dass unsere Vorstellung von einem gemalten Raum letztlich auf Übereinkünften unserer Wahrnehmung beruht. Das gilt besondere für den Raum, in dem wir ein spirituelles, geistiges Geschehen erleben. Für Guski ist also die Farbe Gelb, in seiner hellen, unregelmäßig wolkigen, mal ins Orange, mal ins Grünliche spielend, die Farbe, die am besten die Vorstellung eines von Licht gefüllten, von Licht durchfluteten Raumes hervorrufen kann. Das lichte, auch oft transparente Gelb wird von wässrigen, dunklen und hellen Blaufarben kontrastiert – von kühlen Blau-Farben, der Farbe des Wassers, dem unverzichtbaren Stoff des Lebens, so unverzichtbar wie der Kreuzestod Jesu für den christlichen Glauben ist. Bemerkenswert finde ich, dass Guski hier nicht den von den Expressionisten bevorzugten Simultankontrast der Komplementärfarben benutzt. Dieser wäre zu Gelb eher Violett, zu Blau eher Orange. Aber schauen wir uns genau das Farbenspiel an: beide Farben, Violett und Orange sind als Spuren in den Bildern vorhanden und dienen dazu, die Energie und die Überzeugungskraft der Bilder zu stärken.

 

In die losen, schwebenden, unbegrenzten, fragmentarisch gelegten Farbfelder hinein schreiben sich scharfkantige schartige schwarze Spuren, die der Maler mit dem Rücken von Pappstreifen als strenges grafisches Lineament legt. Diese Kantenspuren bezeichnen Horizontale und Vertikale in der Mitte der streng quadratischen Bilder. In Verdopplungen, Paralellisierungen treffen sich die Linien zu einem dunklen Kreuzungsfeld. Schmerzend scharf ist dieser Eingriff der Balkenlegung, der Kreuzlinien, die nun von dem Körper des Gekreuzigten aufgenommen werden, in ihn hinein integriert sind, so dass die weiten, schwebenden Farbflächen mit dem unerbittlich rechtwinkligen, konstruktivistisch wirkenden Kreuz eine unauflösbare Synthese eingehen. Der Leib des Gekreuzigten ist in seiner Körperlichkeit fassbar, zugleich aber von einer diffusen transparenten Qualität. Die Formen wie die Flächen wirken wie „ausgedünnt“, wie es eine Kritiker für die Bilder Guskis formulierte. Der Maler hat in diesen Aquarellen ein Möglichkeit, körperliche, gegenständliche Darstellung in eine spirituelle Vorstellung zu transformieren, einen Moment des Übergangs zu formulieren.

 

Wie können Worte gemalt werden? Worte, die gerade in der christlichen Tradition als letzte Botschaft Jesu gelten? Bezeichnend ist, dass zu den Letzten Worten Jesu bedeutende Musikwerke geschaffen wurden, zu.B. von Schütz, Haydn, Guibaldolina. Als Thema der Bildenden Kunst spielen sie eher neben dem Szenen aus dem Leben Christi eine untergeordnete Rolle.

 

Bernhard Guski macht die Worte, bzw. die Erfahrung mit den Worten, durch Bildsymbole und Gesten deutlich, nicht illustrativ, sondern so zeichnend, verzerrend, verdünnend und fragmentierend, dass Körperlichkeit und Geistigkeit, Gegenstand und Symbol in der bildlichen Form gegenwärtig werden.

 

Das Paradies hängt als Versprechen wie ein Himmel voller buntfarbender Früchte über der Golgatha-Gruppe. Schemenhaft erscheinen Maria und Johannes rechts und links vom Kreuz, man sieht das Zuhören an der stillen, in sich gekehrten, gebeugten Haltung. Die Figuren sind wie von einem Mantel umschlossen – hier findet sich ein Ausdruck wieder, den Bernhard Guski auch seinen figürlichen Skulpturen gibt.

Der Schrei, seit Edward Munch ein Topos der Kunstgeschichte geworden, wird bewusst so stark, aggressiv, dunkel gerahmt – Er ist Ausdruck der Ohnmacht, der Verzweiflung, des zutiefst Menschlichen der Passion. Im Bild „Mich dürstet“ läßt der Maler auf dem unteren Bildrand in einer wie von frischem Frühlingswasser getränkten Grün zarte Blumen aufsprießen – das Passionsgeschehen verwandelt sich in erfrischendes Lebens-Wachstum. Das Zeichen des Lamms mit der Standarte als Besiegelung der Todesüberwindung ist in den Körper des Gekreuzigten eingeschrieben – „Es ist vollbracht“ bedeutet Einordnung, Demut in die Gesetze des Todes und zugleich seine Überwindung. Das Lamm ist Gottes Lamm, Symbol und Zeichen für den Opfertod Christi.

 

„Vater in Deine Hände lege ich meinen Geist“ –das letzte Bild zeigt die Hand, die sich plastisch, perspektivisch dargestellt aus dem Bildgrund hinauswölbt, auf den Betrachter zu, wie eine auffangende Schale.

 

Bernhard Guski führt in diesen Bildern die Darstellungsweise, die wir ja schon in seinem Kreuzwegstationen und seinen Kreuzbildern kennen gelernt haben, in eine weitere Reduzierung der Körperlichkeit, um ihren Zeichencharakter zu stärken. Sehr gut läßt sich das in den ganz zarten, skizzenhaften Andeutungen der Entwurfszeichnungen ablesen, die oben auf der Empore zu sehen sind. Dabei geschieht etwas, was ich immer als eine Art Überraschung, um nicht zu sagen Glück im Wunder der künstlerischen Ausdrucks empfinde: Aus der fragmentierenden Ungenauigkeit, skizzenhaften Vagheit des Strichs, der sanft und hell sich ausbreitenden Farbflächen entsteht gerade eine Stärkung des Audrucks für die Botschaft, für das spirituellen Geschehens. Die Offenheit der Formulierung bedingt so die Aufforderung, sich in diese Bilder immer tiefer hineinzusehen.

 

Die visuelle Darstellung der nur hörbaren Worte erhält so eine vom bildnerischen Material selbst bestimmte, in sich schlüssige Form, die nun den Inhalt, die Botschaft, das was wir beim Betrachten empfinden, als komplexe Wahrnehmung möglich macht. Denn nur wenn Form und Inhalt durch die Hand des Künstlers so zusammengeführt werden, dass sie sich einander unauflöslich bedingen, wenn sie in diesem einzelnen subjektiven Werk eine objektive Formulierung gefunden haben, kann das Geheimnis des unvermuteten Verständnisses oder des Eindringens in die transitorische Wahrheit der Kunst.

 

Bernhard Guski, lebt seit 25 Jahren mit seiner Familie ganz in der Nähe der Wuppertalsperre auf Vosshagen bei Hammerstein, in der schönen Landschaft bei Radevormwald. Er ist mit der leisen, aber beharrlichen, unermüdlichen Stimme seiner Skulpturen und seiner Malerei hier in unserer Region eingewachsen, aber auch weit über unsere Region hinaus bekannt geworden. Viele Menschen kommen auf ihren Spaziergängen immer wieder zu der von ihm entworfenen Friedenskapelle neben dem Friedhof russischer Zwangsarbeiter und weiter hinab zum Ufer der Dörpe-Vorsperre, wo vor einiger Zeit sein mächtiges trigonometrisches Kreuzzeichen aus drei Balken aufgestellt wurde.

 

Ein anderes, strenges Steinkreuz schuf er für das Feld anonym Bestatteter auf dem Friedhof in Hasten, das er als offene Leerform schuf, um in ihr die umgebende Natur als gerahmtes, sich veränderndes Bild aufzunehmen.

 

Bernhard Guski hat aus der Erfahrung mit der expressionistischen Sprache der Bildhauerei und Aquarell-Malerei einen konsequenten Weg entwickelt, das uralte Bild der Kreuzigung hier wieder ganz neu erfahrbar für uns zu machen.

Wir danken ihm für die neuen, zum Nachdenken und Einfühlen auffordernden Bildwerke!

 

Radevormwald, 25. Februar 2007

Mädchenkopf, 2022, Bronze

(Foto Helmut  Harhaus)

Vogel, 2021, Holz

(Foto Helmut Harhaus)

Vogel, 2021, Bronze

(Foto Helmut Harhaus)

Balance, 2021

Stahl, pulverbeschichtet

(Foto Christian Vogeler)

Vogel, 2021

Stahl, pulverbeschichtet

(Foto Martin di Giorgi)

Kardinalsfrage

Faszination Licht

Straßenszene

Weggefährten

Figural-experimentell 

Gemeinsam zum Ziel 

Friedens-Stele 

Stahl, pulverbeschichtet

1. Ex.:Hückeswagen, 2017

2.Ex.: Etaples-sur-mer, 2022

 

Bunter Baum 

Stahl, pulverbeschichtet

(Foto Bernd Büllesbach)

Kreuz, Stahl

400 x 240 x 40 cm

( Friedhofskreuz auf dem Friedhof

"Auf`m Berg"  in Leverkusen-Steinbüchel)

 Gesichter 

 Kupfer getrieben                     

 ( Foto H. Harhaus)


                         

            

Männlicher Torso, Kupfer getrieben

 

 

 

 

Jubel, Bronze

10,5 x 11.5 x 11 cm